Kleiner Leitfaden über Safewords

Du hast dich also entschieden, die dunkle Seite zu betreten, bist dir aber nicht sicher, wie man sicheres BDSM praktiziert? Gut. Eine Sache, die du tun musst, ist, dir ein Safeword (oder Sicherheitswort) zu überlegen. Du glaubst, dies sei eine belanglose Entscheidung? Falsch gedacht! Dies ist die wichtigste Entscheidung die du für deinen BDSM Einstieg treffen wirst. Dein Safeword ist dein Sicherheitsnetz. Ohne diesem kannst du zu leicht die Grenze zwischen einvernehmlich und nicht einvernehmlich überschreiten, was zu gefährlichen Situationen führen kann und nicht förderlich für das Vertrauen zu deinem Spielpartner ist. „Nein“ und „Stopp“ wirst du in der Session häufig gebrauchen in deiner Rolle als Sub. Einfach, weil es dazu gehört. Wer will schon einen Sub, der zu allem “Ja!” und “Amen!” sagt. Wie weißt man also, wann ein „Nein“ auch wirklich „Nein“ bedeutet und nicht Teil der Rolle ist? Richtig, man weiß es nicht! Aus diesem Grund ist es entscheidend, sich im Vorfeld ein Safeword oder Safesystem zu überlegen.

Warum benötige ich ein Safeword?

Mach es wie die anderen; die haben ein Wort für dich… SICHERHEIT. Ein Safeword/-system ist unabdingbar in jeglicher BDSM Session für deine (du hast es sicher schon erraten!) Sicherheit. In welcher Art von Situation könntest du dich befinden, die den Gebrauch dieser fundamentalen Worte notwendig machen? Um dir zu helfen, die Wichtigkeit deines Safewords zu erkennen, findest du hier diese Liste von Szenarien , die das Aussprechen des Safewords erfordern:

  • Panik ist ausgebrochen und der Sub möchte jetzt raus
  • Die Schmerzen sind zu intensiv geworden, um sie zu ertragen
  • Der Sub ist in eine Situation gelangt, in der er sich extrem unwohl fühlt
  • Ein Atemkontrollspiel ist zu heftig und fühlt sich an als würde man ersticken
  • Die Session hat eine andere Stufe erreicht in der sich der nicht mehr wohl oder sicher fühlt
  • Dem Sub wird schwindelig oder er ekelt sich
  • Der Sub benötigt eine Pause oder möchte vor dem Fortfahren etwas bereden (Aussprechen eines Warnwortes/Slow-Words)
Das solltest du unterlassen:

 Halte dich mit dem Aussprechen des Safewords zurück wenn du dich bloß allgemein unwohl fühlst

 Gehe keine Session mit jemanden ein, der die Nutzung eines Safewords nicht respektiert

Das solltest du stattdessen tun:

 Einigt euch vor dem Beginn der Session auf ein Safeword/-system

 Benutze ein Safeword nur wenn es notwendig ist – mach nicht die Pferde scheu

Welche Arten gibt es?

Es gibt Abbruchcodes (“klassische Safewords”), die das Spiel sofort beenden, wenn sie auftreten. Weiterhin gibt es Bestätigungscodes (“Okaycodes”), die das Spiel abbrechen/unterbrechen, wenn sie fehlen. Und als dritte Variante gibt es noch die Feinsteuerung (“Slowwords”), bei denen der Bottom mitbestimmt, wie stark oder hart eine Praktiken ausgeführt werden.

Wie wähle ich mein Safeword?

Du hast dich also mit der Idee angefreundet, dass ein Safeword/-system notwendig ist, aber bist dir unschlüssig, wie du dich für eins entscheiden sollst? Sehr beliebt ist das Ampelsystem. Es ist zwar ein Klassiker, aber definitiv eine tolle Sache. Dieses System verspricht, dich in die richtige Richtung zu lenken. Auch wenn es ein einfaches Konzept ist, ist es dennoch sehr beliebt. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Das Ampelsystem funktioniert wie folgt:

 

traffic-lights-149703_640 „Rot“ – Stopp – Der Sub fühlt sich unbehaglich in der Situation und möchte unverzüglich aufhören. Abbruchcode!
„Gelb“ – schön langsam – Der Sub erreicht seine Grenze. Die Behandlung kann ruhig weitergehen, aber es sollte mit weniger Kraft oder Intensität erfolgen. Dieses “vorbeugende” Safeword kann auch benutzt werden, um anzuzeigen, dass man was ansprechen sollte oder dass eine kurze Pause notwendig ist.
„Grün“ – Los, Los, Los – Der Sub fühlt sich pudelwohl und möchte mehr.

Da der Sub so aktiv auf die Session Einfluss nehmen kann und das Aussprechen nicht gleich einem Abbruch gleich kommt, sondern eher zur Feinjustierung dient, nennt man diese Codes auch als Slowcodes.

Wenn das Ampelsystem nichts für dich ist und du lieber ein einzelnes Wort bevorzugst, um dein Befinden auszudrücken, sind hier ein paar Tipps, die dir helfen, das Wort herauszufinden, dass am besten zu deiner Persönlichkeit passt;

  • Wähle etwas ungewöhnliches oder lustiges, das die Session sofort unterbrechen wird
  • Halte es kurz und bündig – wähle kein mehrsilbiges Wort
  • Wähle ein Wort, an das man sich einfach erinnern kann

Viele BDSMler wählen tatsächlich „Safeword“ als ihr Safeword weil es einfach, treffend und leicht zu merken ist.

Sicherheitsaktionen (Safe-Actions)

Was wenn der Top gerade etwas Ruhe genießen möchte während du geknebelt bist? Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass man ein ungesagtes “Safeword” für genau solche Spielsituationen vereinbaren sollte. Wir empfehlen, dass der Sub diese Aktionen festlegt. Andernfalls könnte es dem Sub entfallen, wenn er sich gerade im Subspace befindet. An dieser Stelle soll dir eine helfende Hand gereicht werden, also findest du hier einige Ideen für solche Sicherheitsaktionen:

  • Öffne und schließe die Hände wiederholt
  • Blinzle eine festgelegte Anzahl an Malen mit den Augen
  • Nicke mit dem Kopf oder schüttle ihn eine vereinbarte Anzahl an Malen
  • Läute eine kleine Glocke
  • Schnippe mit den Fingern
  • Grunze eine festgelegte Anzahl an Malen
  • Lasse einen Gegenstand fallen, der durchgehend während der Situation in einer Hand gehalten wird
  • Klopfe dreimal auf eine Oberfläche in der Nähe
Das solltest du unterlassen:

 Benutze keinen Knebel, bevor du keine Sicherheitsaktion festegelgt hast

Das solltest du stattdessen tun:

 Vereinbart vor der Session Sicherheitsaktionen

 Geht sicher, dass sich in deiner Nähe eine Oberfläche befindet, falls deine Aktion eine benötigt

Okay-Codes

Eine andere Alternative zu Stopcodes, sind Okay-Codes, diegenau andersrum funktionieren und im Grunde wie ein Todmannsschalter funktionieren. Bleibt eine Reaktion aus, dann bedeuet dies, dass etwas nicht in Ordnung ist und der Top handeln muss. Man kann unterscheiden zwischen dauernde (Totmannspedale) und periodische Okaycodes (Checking, Call-And-Response) in denen der Sub signalisiert, dass noch alles in Ordnung ist.

Einige Beispiele für periodische Okycodes sind:

  • Top streicht über die offene Handfläche > Sub drückt die Hand des Tops
  • Top streicht über Kopf des Subs > Sub lässt sich wie eine Katze streicheln
  • Blick in die Augen > Sub blinzelt zweimal
  • Top gibt Sub einen Zungenkuss > Sub erwidert mit Zunge
  • Top drückt Schulter des Subs > Sub drückt gegen

Ein dauernder Okaycode hingegen könnte zum Beispiel sein, dass der Sub eine bestimmte Haltung einzunehmen hat während er bestraft wird (Hände hinter dem Kopf verschreckt, Hände ausgestreckt) und sobald diese Haltung verlassen wird, bedeutet dies, dass etwas nicht stimmt.

Der sogenannter “Herrengriff” gehört auch zu den Okaycodes, auch wenn hier keine aktive Rückmeldung des Subs erfolgt:

Der Top greift den Sub in den Schritt und prüft die Standfestigkeit des Penisses. Steht er, kann man davon ausgehen, dass alles in Ordnung ist. Man darf aber nicht schlussfolgern, dass es ihm nicht gut, wenn sein Penis schlaff ist.

Diese Methoden haben den Vorteil, dass man weder Hilfsmittel benötigt noch den Mund benötigt. Auch geknebelt kann in der Regel eine derartige Rückmeldung gegeben werden. Da es zudem nonverbal funktioniert, sind diese Codes sehr viel subtiler, zerstören die Hemmschwelle nicht und die Hemmschwelle diese zu benutzen ist geringer.  Zudem bedarf es keine aktive Reaktion, wenn etwas nicht stimmt. Es kann sein, dass der Sub nicht mehr in der Lage ist, einen Abbruchcode zu benennen.

Der Nachteil ist allerdings, dass der Top in regelmäßigen Abständen ein Feedback durch sein “Call” einfordern muss. Auch kann der Sub nicht einfach abschalten bei einer Session, da ein nicht beantworten eines Codes zum Abbruch führen könnte.

Die Mischung machts

Sicherlich jeder so seine eigenen Vorlieben bei der Nutzung von Safecodes. Am empfehlenswertesten ist aber ohnehin eine Mischung aus mehreren Arten. Es ist daher wichtig zwischen Abbruchcode, Okaycode und Slowword zu unterscheiden und die Unterschiede zu kennen. Für den Notfall, wenn sich Schwindel oder ähnliches ankündigt kann man sich auf einen Abbruchcode einigen. Für zwischendrin kann man Okaycodes nutzen. Hier sollte man eine ausbleibende Reaktion als Top aber gegebenfalls noch mal nachprüfen. Dazu reicht oft auch schon das direkte ansprechen des Subs und direktes Nachfragen. Für einzelne Behandlungen, kann der Sub mit den Slowcodes seine direkte Empfindung auf eine einzelne Behandlung zum Ausdruck bringen.

Empfehlungen

Je subtiler die Signale sind, desto “weicher” sind sie auch. Bei uns hat sich eine Art Rangfolge etabliert. Der Abbruchcode ist am striktesten und hat das sofortige Auflösen der Session zur Folge. Mit den Slowcodes werden einzelne Behandlungen gesteuert. Ein “Rot” bedeutet hier bei uns nicht  gleich den Abbruch der gesamten Session sondern nur der aktuellen Behandlung. Und ein Okaycode prüft ob alles in Ordnung ist. Oft weiß man die unbewussten Reaktionen des Subs aber ohnehin zu deuten. Sodass nicht in jeder Situation ein Code sein sollte.

  • International und allgemein hat sich Mayday” als allgemeiner verbaler Abbruchcode der Szene etabliert. Ob man persönlich in einem Spiel Abbruchcodes benutzt, bleibt davon unberührt.
  • Es gibt bisher keinen allgemeingültigen, nichtverbalen Abbruchcode wie er bei Geknebelten benötigt wird. Jedoch habe ich schon vielen gehört, dass sie ein wiederholtes, dreimaliges Signal nutzen, das so oft wie nötig wiederholt wird:
    … Um, um, um! … Um, um, um! … Um, um, um! …
    Wichtig ist hier nicht, wie das Geräusch gemacht wird (Klopfen, Grunzen, Schnippen, Klatschen, Stampfen…) sondern der Rhythmus. Damit sind auch andere, auch subtilere Formen wie dreimaliges Blinzeln möglich.
    (Dieser Dreiercode ist eine schlichtere Version des internationalen Morse-Notrufs SOS (dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz), wie er auch in verschiedenen Kampfsportarten als Notfallcode verwendet wird.
  • Der Ampelcode (Rot: halt!, Gelb: langsamer!, Grün: stärker!) bleibt die allgemeine Feinsteuerung (Slowword).
  • Es wurde ein allgemeiner Bestätigungscode in der Szene eingeführt.
    Welcher Bestätigungscode diese Rolle übernehmen soll, ist allerdings schwieriger. Küsse verlagen einen Grad an Intimität, der nicht bei allen Paaren vorausgesetzt werden kann. Verbreitet ist aber der Druck-Gegendruck Code. 

Generell ist anzumerken:

  • Jeder hat selbstverständlich das Recht, ohne Abbruchcode, Bestätigungscode oder Slowword zu spielen, wenn er und sein Partner es so wollen und diese Entscheidung von allen Beteiligten nach offener und informierter Absprache getroffen wurde.
  • Kein Sadomasochist darf einen anderen unter Druck setzen oder gar zwingen, auf die Verwendung eines Abbruchcodes, Bestätigungscodes oder Slowwords zu verzichten. Der Bottom als körperlich verwundbarer Teil des Spiels hat das Recht, die Mindestmenge an Sicherheitscodes zu bestimmen.

Was kommt als nächstes?

Gut. Jetzt wo du ein Safeword festgelegt hast, bist bereit für „GRÜN“! Denk dran: ein Safeword/Sicherheitsaktion ist da, um die Teilnehmer zu schützen und sollte nicht als Druckmittel genutzt werden. Unabhängig davon wie erfahren du bist, ist dies dein Sicherheitsnetz dem du niemals entwachsen darfst.  Auch mit Erfahrung solltest du niemals darauf verzichten.

 

 

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